Typisch deutsch?

„Die Deutschen lieben ihre Ordnung“, so heißt es doch immer, oder? Papperlapapp, immer diese Klischees dachte ich mir, so eng sieht der Deutsche es nun auch wieder nicht mit seiner Regelmäßigkeit. Doch in meinem Auslandsjahr in London wurde es mir dann so richtig bewusst. In mitten Londons ist der Straßenverkehr ein einziges Chaos, keiner schert sich drum, was die anderen Beteiligten im Verkehr tun. Oxford Street, es geht zu wie nochmal was, die Fußgänger „haben rot“ – theoretisch –, denn im Grunde genommen bedeutet so eine rote Ampel rein gar nichts. Den Einheimischen scheint es schnurzpiepegal zu sein, was ihnen die Straßenordnung vorschreibt. Verkehrsschilder und Ampeln scheinen hier nur ein Richtwert zu sein. Ja, man könnte sich dranhalten, muss man aber nicht. Würde auch viel zu lang dauern, da müsste man ja warten bis die Ampel „grün wird“. Einmal Hupen von links, zweimal Hupen von rechts, aber das schreckt einen echten Londoner nicht ab, zielstrebig und schön gemütlich überquert er die Straße. Zu Beginn war das ein echter Schocker. Da denkt man, man kommt aus einer „Großstadt“ wie München, ein Kulturschock, wenn man nach London zieht? – Unmöglich! Naja, trotz allem gewöhnt man sich echt schnell an den Verkehr. 1m Abstand zwischen zwei mir entgegenkommenden Autos? – Da kann ich locker mal eben die Straße überqueren. Naja… in London zumindest! Zurück in Deutschland waren Ampeln für mich nach wie vor „nur ein Richtwert“. Mitten in der Nacht, meine Freunde und ich gehen von einer Party nach Hause. Weit und breit kein Auto zu sehen, aber die Ampel leuchtet gefühlt dunkelrot. Natürlich verschenke ich jetzt nicht eine Minute meiner Zeit um darauf zu warten, dass die Ampel grün wird, denke ich mir und schlendere gemütlich über die Straße. Auf der anderen Straßenseite angekommen, drehe ich mich um und bemerke, dass alle meine Freunde geduldig warten und ich die einzige bin, die sich getraut hat bei Rot zu gehen. Ungläubige und fast schon empörte Blicke werden mir zugeworfen, und ich denke mir: Hallo Deutschland, jetzt bin ich erst so richtig angekommen.